Gestern, 11:06
Lilith war heilfroh, das Wolfram & Hart-Gebäude zu verlassen. Ob es rein objektiv gesehen so eine kluge Entscheidung war, blieb mal dahingestellt – ihre körperliche Verfassung war nur geringfügig besser als letzte Nacht. Sie verlor kein Blut mehr, was ein enormer Vorteil war, aber ihr Kreislauf war durch den hohen Verlust trotz Transfusionen noch deutlich angeschlagen. Hätte sie länger von ärztlicher Überwachung profitiert? Sicherlich. Aber Mammon hatte bestanden darauf, dass die Begebenheiten in der notdürftigen Krankenstation der Kanzlei unwürdig waren und Lilith hatte nicht widersprochen, sondern sich dankbar gefügt, als er erklärt hatte, dass er sie mitnehmen würde.
Obwohl sie häufig viele berufliche Termine bei W&H hatte, war es schon immer eine Erleichterung für sie gewesen, diesem Ort den Rücken kehren zu können. Weil sie normalerweise alles fühlte, was hier vor sich ging, jedes Dimensionstor, das geöffnet wurde, all die Kreaturen und ihre Auren, die sich im Gebäude aufhielten und sich im Zweifelsfall sogar bekämpften. Es war ein konstantes Buzzen in ihrem Kopf, das sie fast schon benebelte und auf Dauer einfach kräftezehrend war. Normalerweise.
Aktuell fühlte sich Liliths Kopf allerdings an, als wäre er vollgestopft mit Watte. Da war kein Buzzen, auch kein Prickeln, und sie konnte nicht einmal sagen, welche Wesen sich im nächsten Zimmer aufhielten, geschweige denn dass sie die Auren im Rest des Stockwerks wahrnehmen konnte. Dennoch stimmte sie recht schnell zu, Wolfram & Hart zu verlassen – weil sie sich dort nicht sicher fühlte.
Jeder Raum der Kanzlei war verwanzt, da war sie sich sicher. Und je länger sie dort blieb, desto höher wurde das Risiko, dass die falschen Parteien von ihrem Zustand erfahren würden. Bevor ihr Körper nicht weit genug geheilt war, dass sie sich im Zweifelsfall selbst wieder Respekt verschaffen könnte… einfach ein zu gefährlicher Ort. Aber kein Dämonenclan würde es wagen, einfach in Mammons private Wohnräume einzudringen.
So kam es also, dass er ihr jetzt draußen ins Auto half – in Kleidungsstücken, die Medea dankenswerterweise für sie besorgt hatte, was viel dazu beitrug, dass sie lange nicht mehr so auffällig war wie letzte Nacht, in ihren eigenen blutigen, zerfetzten Sachen. Vielleicht konnte Kisai bei Gelegenheit ein paar ihrer privaten Besitztümer aus ihrem LA Penthouse holen.
Es war immer noch unfassbar seltsam für Lilith, überhaupt auf Hilfe angewiesen zu sein. Aber immerhin ging sie aufrecht – niemals hätte sie sich in einen Rollstuhl gesetzt oder sich dazu herabgelassen, sonstige Gehhilfen zu nutzen. Dazu war sie bei Weitem zu stolz. Dennoch, wirklich sicher auf den Beinen war sie komplett allein auch noch nicht, und das Gefühl war schwer für sie zu ertragen.
Im Auto selbst nahm sie still Platz, den linken Arm über ihren Bauchraum, die rechte Hand schützend auf ihr Brustbein gelegt. Da, wo es sich für sie immer noch anfühlte als hätte sie ein klaffendes, schwarzes Loch, wo eigentlich die Essenz ihres Selbst sein müsste. Ihren Kopf lehnte sie halb an die Kopfstütze ihres Sitzes, halb an die Scheibe, den Blick leicht abwesend nach draußen gerichtet, während die Stadt an ihnen vorbeiflog. Mammon sorgte sich um das Leder seiner Sitze und bat sie, ihn bei Bedarf anhalten zu lassen.
„Okay“, war ihre leise, schlichte Antwort. Das war untypisch für sie – normalerweise würde sie zurückschnappen, wenn er so mit ihr sprach, und sie würden einsteigen in einen ihrer Schlagabtausche, den sie in den allermeisten Fällen auch gewann, weil sie deutlich wortgewandter war als er. Und wenn es kein voller Schlagabtausch war, dann wenigstens ein wohlwollendes Necken; das war ihre Art des Umgangs miteinander seit einer halben Ewigkeit. Mammon sagte oft genug, dass er sie gut hatte leiden können, bis sie angefangen hatte ihm Widerworte zu geben… und wenn Lilith ihren eigenen Erinnerungen glauben schenkte, dann war das früh gewesen. Sie hatte einfach keine folgsame, genügsame Persönlichkeit, sie beide nicht. Das führte oft genug zu Reibung. Dennoch, sie konnte sich erinnern, dunkel, an Momente ihrer Kindheit, in denen er sie Huckepack getragen hatte, weil sie gerade gelernt hatte zu fliegen und das mit der Landung noch nicht so gut lief, und sie sich beide Knie, die Handflächen und das Kinn aufgeschlagen hatte.
Der Gedanke an ihre Flügel ließ sie unwillkürlich den Druck auf ihre rechte Hand verstärken, so als würde das den Schmerz des Verlustes verringern können.
“Geht’s mit den Schmerzen?”
Und da war er auf einmal, ein kleiner Blitzer des Bruders, der ihr damals die Hand gereicht, ihr aufgeholfen und sie nach Hause getragen hatte. Kurzzeitig dachte sie, dass sie tatsächlich auf seine Bitte eingehen und ihn anhalten lassen müsste, weil sich in ihrem Magen etwas regte… aber dann stellte Lilith fest, dass es nur wieder eines der tausend Gefühle war, die sie plötzlich hatte. Es waren so viele, ständig ein anderes, dass sie sie nicht einmal konkret zuordnen konnte. Sie hasste es mit jeder Faser ihres Körpers.
„Ja.“ Sie versuchte sich lieber auf die nüchterne Antwort seiner Frage zu fokussieren als darauf, worunter sie sonst noch neuerdings litt. Anders als Gefühle waren Schmerzen nichts Neues. Das war nicht die erste Folter gewesen, die sie durchlitten hatte. Sie heilte langsamer, aber wie Mammon jetzt auch bemerkte, wäre es im besten Fall nur noch eine Frage der Zeit, bis sie in dieser Hinsicht Unterstützung bekam, sobald Medea einen Engel aufgetan hatte.
„Ja, sie scheint mir sehr kompetent zu sein.“ Obwohl die Aufgabe nahezu unmöglich zu lösen schien – einen Engel zu beschaffen, der freiwillig die Heilung übernahm für die Tochter des Teufels – aber wie auch Mammon war Lilith in den letzten Stunden ausreichend beeindruckt worden von Medeas Verbindungen und ihrer Expertise. Sie stellte nicht einmal in Frage, dass die Dämonin erfüllen würde, was sie zugesagt hatte.
Obwohl sie häufig viele berufliche Termine bei W&H hatte, war es schon immer eine Erleichterung für sie gewesen, diesem Ort den Rücken kehren zu können. Weil sie normalerweise alles fühlte, was hier vor sich ging, jedes Dimensionstor, das geöffnet wurde, all die Kreaturen und ihre Auren, die sich im Gebäude aufhielten und sich im Zweifelsfall sogar bekämpften. Es war ein konstantes Buzzen in ihrem Kopf, das sie fast schon benebelte und auf Dauer einfach kräftezehrend war. Normalerweise.
Aktuell fühlte sich Liliths Kopf allerdings an, als wäre er vollgestopft mit Watte. Da war kein Buzzen, auch kein Prickeln, und sie konnte nicht einmal sagen, welche Wesen sich im nächsten Zimmer aufhielten, geschweige denn dass sie die Auren im Rest des Stockwerks wahrnehmen konnte. Dennoch stimmte sie recht schnell zu, Wolfram & Hart zu verlassen – weil sie sich dort nicht sicher fühlte.
Jeder Raum der Kanzlei war verwanzt, da war sie sich sicher. Und je länger sie dort blieb, desto höher wurde das Risiko, dass die falschen Parteien von ihrem Zustand erfahren würden. Bevor ihr Körper nicht weit genug geheilt war, dass sie sich im Zweifelsfall selbst wieder Respekt verschaffen könnte… einfach ein zu gefährlicher Ort. Aber kein Dämonenclan würde es wagen, einfach in Mammons private Wohnräume einzudringen.
So kam es also, dass er ihr jetzt draußen ins Auto half – in Kleidungsstücken, die Medea dankenswerterweise für sie besorgt hatte, was viel dazu beitrug, dass sie lange nicht mehr so auffällig war wie letzte Nacht, in ihren eigenen blutigen, zerfetzten Sachen. Vielleicht konnte Kisai bei Gelegenheit ein paar ihrer privaten Besitztümer aus ihrem LA Penthouse holen.
Es war immer noch unfassbar seltsam für Lilith, überhaupt auf Hilfe angewiesen zu sein. Aber immerhin ging sie aufrecht – niemals hätte sie sich in einen Rollstuhl gesetzt oder sich dazu herabgelassen, sonstige Gehhilfen zu nutzen. Dazu war sie bei Weitem zu stolz. Dennoch, wirklich sicher auf den Beinen war sie komplett allein auch noch nicht, und das Gefühl war schwer für sie zu ertragen.
Im Auto selbst nahm sie still Platz, den linken Arm über ihren Bauchraum, die rechte Hand schützend auf ihr Brustbein gelegt. Da, wo es sich für sie immer noch anfühlte als hätte sie ein klaffendes, schwarzes Loch, wo eigentlich die Essenz ihres Selbst sein müsste. Ihren Kopf lehnte sie halb an die Kopfstütze ihres Sitzes, halb an die Scheibe, den Blick leicht abwesend nach draußen gerichtet, während die Stadt an ihnen vorbeiflog. Mammon sorgte sich um das Leder seiner Sitze und bat sie, ihn bei Bedarf anhalten zu lassen.
„Okay“, war ihre leise, schlichte Antwort. Das war untypisch für sie – normalerweise würde sie zurückschnappen, wenn er so mit ihr sprach, und sie würden einsteigen in einen ihrer Schlagabtausche, den sie in den allermeisten Fällen auch gewann, weil sie deutlich wortgewandter war als er. Und wenn es kein voller Schlagabtausch war, dann wenigstens ein wohlwollendes Necken; das war ihre Art des Umgangs miteinander seit einer halben Ewigkeit. Mammon sagte oft genug, dass er sie gut hatte leiden können, bis sie angefangen hatte ihm Widerworte zu geben… und wenn Lilith ihren eigenen Erinnerungen glauben schenkte, dann war das früh gewesen. Sie hatte einfach keine folgsame, genügsame Persönlichkeit, sie beide nicht. Das führte oft genug zu Reibung. Dennoch, sie konnte sich erinnern, dunkel, an Momente ihrer Kindheit, in denen er sie Huckepack getragen hatte, weil sie gerade gelernt hatte zu fliegen und das mit der Landung noch nicht so gut lief, und sie sich beide Knie, die Handflächen und das Kinn aufgeschlagen hatte.
Der Gedanke an ihre Flügel ließ sie unwillkürlich den Druck auf ihre rechte Hand verstärken, so als würde das den Schmerz des Verlustes verringern können.
“Geht’s mit den Schmerzen?”
Und da war er auf einmal, ein kleiner Blitzer des Bruders, der ihr damals die Hand gereicht, ihr aufgeholfen und sie nach Hause getragen hatte. Kurzzeitig dachte sie, dass sie tatsächlich auf seine Bitte eingehen und ihn anhalten lassen müsste, weil sich in ihrem Magen etwas regte… aber dann stellte Lilith fest, dass es nur wieder eines der tausend Gefühle war, die sie plötzlich hatte. Es waren so viele, ständig ein anderes, dass sie sie nicht einmal konkret zuordnen konnte. Sie hasste es mit jeder Faser ihres Körpers.
„Ja.“ Sie versuchte sich lieber auf die nüchterne Antwort seiner Frage zu fokussieren als darauf, worunter sie sonst noch neuerdings litt. Anders als Gefühle waren Schmerzen nichts Neues. Das war nicht die erste Folter gewesen, die sie durchlitten hatte. Sie heilte langsamer, aber wie Mammon jetzt auch bemerkte, wäre es im besten Fall nur noch eine Frage der Zeit, bis sie in dieser Hinsicht Unterstützung bekam, sobald Medea einen Engel aufgetan hatte.
„Ja, sie scheint mir sehr kompetent zu sein.“ Obwohl die Aufgabe nahezu unmöglich zu lösen schien – einen Engel zu beschaffen, der freiwillig die Heilung übernahm für die Tochter des Teufels – aber wie auch Mammon war Lilith in den letzten Stunden ausreichend beeindruckt worden von Medeas Verbindungen und ihrer Expertise. Sie stellte nicht einmal in Frage, dass die Dämonin erfüllen würde, was sie zugesagt hatte.

